Märkische Schüler helfen bei der Wattenscheider Tafel

Kooperation zwischen dem Märkischen und der Wattenscheider Tafel begründet

In den vergangenen Wochen hat die Wattenscheider Tafel aktive Unterstützung durch die Schülerinnen und Schüler der Q2 erhalten. Der aktuelle Abschlussjahrgang hat der Tafel unter anderem bei der Aufbereitung und der Ausgabe von Lebensmitteln an Bedürftige geholfen. Hierzu berichtete bereits die WAZ. Die gesamte Jahrgangsstufe hat im Laufe mehrerer Wochen an einem Tag in der Woche zusammen in ihrem jeweiligen SoWi-Kurs ausgeholfen. Dabei konnten die Schülerinnen und Schüler nicht nur erfahren, was es heißt, sich sozial zu engagieren, sondern auch wie Armut in Deutschland aussieht. Das Projekt soll zu einer festen Kooperation mit der Tafel ausgebaut werden, sodass es jährlich in der Oberstufe durchgeführt wird.

Unser Schüler Henri schildert seinen persönlichen Eindruck.

Der Besuch der Tafel hat bei mir einen positiven Eindruck hinterlassen. Sowohl die Abwechslung gegenüber dem normalen Schulalltag als auch die Erweiterung des eigenen Horizonts spielten für mich eine Rolle, denn: Für mich ist Armut ein Problem, von dem ich und viele meiner Mitschüler nicht betroffen sind. Die soziale Stellung unseres Stadtteils und die Existenz von Armut in diesem waren mir bekannt, doch wie Armut in Wattenscheid wirklich aussieht, habe ich erst bei der Tafel erfahren.

Früh am Morgen: Die Aufbereitung der Waren

Zusammen mit meinen Mitschülern begann mein Tag um 8 Uhr morgens mit einer Führung durch eine Mitarbeiterin der Tafel. Sie zeigte uns die Lagerhallen für Lebensmittel sowie das Lager für Bekleidung und Möbel. Außerdem schilderte Sie uns ihre persönlichen Erfahrungen zum Thema Armut und ihren eigenen Weg zur Tafel. Nach der Führung wurden wir zur Aufbereitung der Lebensmittel eingeteilt. Die Lebensmittel, die die Tafel erhält, stammen von den umliegenden Supermärkten und würden von diesen entsorgt werden, wenn die Tafel diese nicht abholen würde. In der Aufbereitung bestand unsere Aufgabe darin, zu prüfen, ob die Lebensmittel noch genießbar waren. Ein Großteil dessen, was die Einzelhändler entsorgt hätten, war absolut genießbar, aber entsprach nicht dem äußeren Erscheinungsbild, das ein Kunde in einem Supermarkt erwartet. Meine Aufgabe bestand darin, Bohnen zu sortieren. Ein Mitarbeiter erklärte mir kurz, wann ich etwas aussortieren durfte. Allgemein galt aber immer: Eher zu wenig aussortieren als zu viel. Wenn etwas schlecht ist, kann der Käufer es zu Hause immer noch wegwerfen.

Begegnung mit den Kunden

Nach der Aufbereitung hatten wir eine Frühstückspause und haben dann die Ausgabe der Lebensmittel übernommen. Ehrlich gesagt hatte ich erwartet, dass man den Menschen, die dort ihre Lebensmittel kaufen, ihre Armut anhand der Kleidung etc. ansehen könnte. Doch diese Vermutung stellte sich als falsch heraus: Auch viele Menschen, die ich auf der Straße nicht als arm eingeschätzt hätte, waren auf die Hilfe der Tafel angewiesen. Ich wurde beim Gemüse eingeteilt und habe Paprika und Lauchzwiebeln ausgegeben. Auch die verschiedenen Reaktionen der Menschen hatte ich so nicht erwartet: Sie reichten von Unverständnis über die Qualität oder Menge an Gemüse über Scham, Hilfe zu benötigen, bis hin zu Menschen, die mit ihrer Situation eher selbstironisch umgingen. Bei der Ausgabe versuchte ich noch auf die Wünsche der Empfänger einzugehen, obwohl ich eine Vorgabe hatte, wie viel Gemüse ich maximal herausgeben durfte. In meinem Idealismus habe ich versucht allen Menschen in gleichem Maße gerecht zu werden und niemanden zu bevorzugen. Dies stellte sich allerdings als schwierig heraus, weil viele Menschen nur schlecht Deutsch sprachen oder ich verschiedene Wünsche nicht erfüllen konnte, weil einige Lebensmittel nicht mehr vorhanden waren. Für Außenstehende wirkt dieser Konflikt vielleicht trivial und als Produkt eines deplatzierten Idealismus, aber weil ich diese Erfahrung zum ersten Mal gemacht habe, sah ich in der Ausgabe der Lebensmittel nicht die Sache an sich, sondern einen Prozess, in dem ich einem Menschen einen Wert zumessen muss, aber trotzdem dessen Würde wahren will. Im Nachhinein habe ich mich gefragt, ob ich manche Menschen bevorzugt habe, indem ich Ihnen frischeres Gemüse gereicht habe als anderen. Die Mitarbeiter der Tafel waren bezogen auf dieses Thema entspannter, weil sie mehr Erfahrung im Umgang mit dieser Thematik hatten.

Mein persönliches Fazit

Abschließend kann ich sagen, dass der Besuch bei der Tafel bei mir viele Fragen im Kopf entstehen ließ. Das war auch bei dem Thema Armut im Unterricht bereits so, aber nicht so ausgeprägt wie jetzt. Viele Fragen, die sich mir stellen, sind nur schwer zu klären: Warum muss in einer der reichsten Gesellschaften der Welt ein wohltätiger Verein dafür sorgen, dass sozial Schwache sich angemessen ernähren können? Ist es ethisch vertretbar, dass die Schwächsten in einer Leistungsgesellschaft die „Abfälle“ erhalten, die andere übrig lassen? Warum kommen wir, obwohl wir in einem sozial-schwachen Stadtteil leben, erst bei der Tafel wirklich in Berührung mit Armut?

Diese Fragen sind schwierig zu klären, aber persönlich bereichernd und ich hoffe, dass auch noch weitere Schüler bei Fortsetzung des Projekts sich solche Fragen stellen werden und so einen differenzierteren Blick auf das Thema Armut erhalten.